Hegel: Phänomenologie des Geistes { Philosophy Index }

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Phänomenologie des Geistes

VI. Der Geist

B. Der sich entfremdete Geist; die Bildung

Die sittliche Substanz erhielt den Gegensatz in ihr einfaches Bewußtsein eingeschlossen, und dieses in unmittelbarer Einheit mit seinem Wesen. Das Wesen hat darum die einfache Bestimmtheit des Seins für das Bewußtsein, das unmittelbar darauf gerichtet, und dessen Sitte es ist; weder gilt das Bewußtsein sich als dieses ausschließende Selbst, noch hat die Substanz die Bedeutung eines aus ihm ausgeschlossenen Daseins, mit dem es sich nur durch die Entfremdung seiner selbst eins zu setzen und sie zugleich hervorzubringen hätte. Aber derjenige Geist, dessen Selbst das absolut diskrete ist, hat seinen Inhalt sich als eine ebenso harte Wirklichkeit gegenüber, und die Welt hat hier die Bestimmung, ein Äußerliches, das Negative des Selbstbewußtseins zu sein. Aber diese Welt ist geistiges Wesen, sie ist an sich die Durchdringung des Seins und der Individualität; dies ihr Dasein ist das Werk des Selbstbewußtseins; aber ebenso eine unmittelbar vorhandne ihm fremde Wirklichkeit, welche eigentümliches Sein hat, und worin es sich nicht erkennt. Sie ist das äußerliche Wesen, und der freie Inhalt des Rechts; aber diese äußerliche Wirklichkeit, welche der Herr der Welt des Rechts in sich befaßt, ist nicht nur dieses zufällig für das Selbst vorhandne elementarische Wesen, sondern sie ist seine aber nicht positive Arbeit—vielmehr seine negative. Sie erhält ihr Dasein durch die eigne Entäußerung und Entwesung des Selbstbewußtseins, welche ihm in der Verwüstung, die in der Welt des Rechts herrscht, die äußerliche Gewalt der losgebundnen Elemente anzutun scheinet. Diese für sich sind nur das reine Verwüsten und die Auflösung ihrer selbst; diese Auflösung aber, dies ihr negatives Wesen ist eben das Selbst; es ist ihr Subjekt, ihr Tun und Werden. Dies Tun und Werden aber, wodurch die Substanz wirklich wird, ist die Entfremdung der Persönlichkeit, denn das unmittelbar, d.h. ohne Entfremdung an und für sich geltende Selbst ist ohne Substanz, und das Spiel jener tobenden Elemente; seine Substanz ist also seine Entäußerung selbst, und die Entäußerung ist die Substanz, oder die zu einer Welt sich ordnenden und sich dadurch erhaltenden geistigen Mächte.

Die Substanz ist auf diese Weise Geist, selbstbewußte Einheit des Selbsts und des Wesens, aber beides hat auch die Bedeutung der Entfremdung füreinander. Er ist Bewußtsein einer für sich freien gegenständlichen Wirklichkeit; diesem Bewußtsein aber steht jene Einheit des Selbst und des Wesens gegenüber, dem wirklichen das reine Bewußtsein. Einerseits geht das wirkliche Selbstbewußtsein durch seine Entäußerung in die wirkliche Welt über, und diese in jenes zurück; andrerseits aber ist eben diese Wirklichkeit, sowohl die Person wie die Gegenständlichkeit, aufgehoben; sie sind rein allgemeine. Diese ihre Entfremdung ist das reine Bewußtsein oder das Wesen. Die Gegenwart hat unmittelbar den Gegensatz an ihrem Jenseits, das ihr Denken und Gedachtsein; so wie dies am Diesseits, das seine ihm entfremdete Wirklichkeit ist.

Dieser Geist bildet sich daher nicht nur eine Welt, sondern eine gedoppelte, getrennte und entgegengesetzte aus.—Die Welt des sittlichen Geistes ist seine eigne Gegenwart; und daher jede Macht derselben in dieser Einheit, und insofern beide sich unterscheiden, im Gleichgewichte mit dem Ganzen. Nichts hat die Bedeutung des Negativen des Selbstbewußtseins; selbst der abgeschiedne Geist ist im Blute der Verwandtschaft, im Selbst der Familie gegenwärtig, und die allgemeine Macht der Regierung ist der Willen, das Selbst des Volks. Hier aber bedeutet das Gegenwärtige nur gegenständliche Wirklichkeit, die ihr Bewußtsein jenseits hat; jedes einzelne Moment als Wesen empfängt dies und damit die Wirklichkeit von einem andern, und insofern es wirklich ist, ist sein Wesen ein andres als seine Wirklichkeit. Nichts hat einen in ihm selbst gegründeten und inwohnenden Geist, sondern ist außer sich in einem fremden,—das Gleichgewicht des Ganzen nicht die bei sich selbst bleibende Einheit und ihre in sich zurückgekehrte Beruhigung, sondern beruht auf der Entfremdung des Entgegengesetzten. Das Ganze ist daher, wie jedes einzelne Moment, eine sich entfremdete Realität; es zerfällt in ein Reich, worin das Selbstbewußtsein wirklich sowohl es als sein Gegenstand ist, und in ein anderes, das Reich des reinen Bewußtseins, welches jenseits des ersten nicht wirkliche Gegenwart hat, sondern im Glauben ist. Wie nun die sittliche Welt aus der Trennung des göttlichen und menschlichen Gesetzes und ihrer Gestalten, und ihr Bewußtsein aus der Trennung in das Wissen und in die Bewußtlosigkeit zurück in sein Schicksal, in das Selbst als die negative Macht dieses Gegensatzes geht, so werden auch diese beiden Reiche des sich entfremdeten Geistes in das Selbst zurückkehren; aber wenn jenes das erste unmittelbar geltende Selbst, die einzelne Person, war, so wird dies zweite, das aus seiner Entäußerung in sich zurückkehrt, das allgemeine Selbst, das den Begriff erfassende Bewußtsein sein; und diese geistigen Welten, deren alle Momente eine fixierte Wirklichkeit und ungeistiges Bestehen von sich behaupten, werden sich in der reinen Einsicht auflösen. Sie als das sich selbst erfassende Selbst vollendet die Bildung; sie faßt nichts als das Selbst, und alles als das Selbst auf, d.h. sie begreift alles, tilgt alle Gegenständlichkeit, und verwandelt alles An-sich-sein in ein Für-sich-sein. Gegen den Glauben als das fremde jenseits liegende Reich des Wesens gekehrt, ist sie die Aufklärung. Diese vollendet auch an diesem Reiche, wohin sich der entfremdete Geist, als in das Bewußtsein der sich selbst gleichen Ruhe rettet, die Entfremdung; sie verwirrt ihm die Haushaltung, die er hier führt, dadurch, daß sie die Gerätschaften der diesseitigen Welt hineinbringt, die er als sein Eigentum nicht verleugnen kann, weil sein Bewußtsein ihr gleichfalls angehört.—In diesem negativen Geschäfte realisiert zugleich die reine Einsicht sich selbst, und bringt ihren eignen Gegenstand, das unerkennbare absolute Wesen, und das Nützliche hervor. Indem auf diese Weise die Wirklichkeit alle Substantialität verloren und nichts mehr an sich in ihr ist, so ist wie das Reich des Glaubens so auch der realen Welt gestürzt, und diese Revolution bringt die absolute Freiheit hervor, womit der vorher entfremdete Geist vollkommen in sich zurückgegangen ist, dies Land der Bildung verläßt, und in ein anderes Land, in das Land des moralischen Bewußtseins übergeht.

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Phänomenologie des Geistes durch Georg Wilhelm Friedrich Hegel